Aus einem Bericht des Oberfeldveterinärs a.D. Dr. Willimczik
Name und Wappen des Pommerngreifs wurden vom rührigen Ic für die im Herbst 1940 auf dem Truppenübungsplatz Groß Born neu aufgestellte 122. Inf.-Division erfunden. Der Kommandeur, Generalmajor Macholz, taufte sie zum Jahreswechsel.
Kürzlich wurde das einprägsame Wappen auch vom O.K.H. genehmigt. Es ist an der Ostfront, wenigstens im Nordosten, wohlbekannt. Es sollte Ansporn sein und zeugt nun schon von Heldentaten, deren siegreicher Opfergang von Schloßberg, dem alten Pilkallen, bis vor die Tore von Petersburg führte. Namen wie Kowno, Jonava, Dünaburg, Silupe, Sebesh, Opotschka, Noworshew, Porchow, Luga‚ Kolpino gehören zur Kampfgeschichte der „Greifen“.
Auch die Veterinär-Kompanie ist stolz auf diese Zugehörigkeit, obwohl sie ihre sächsische Tradition der 14. Inf.-Division (mot.) aufgab. Sie darf es auch sein, hat sie sich doch schon im Übungswinter innerhalb der Division einen guten Namen gemacht: durch ihre tadellose Führung unter dem Oberstabsveterinär der Reserve. Dr. Dietzmann, durch planvolle Leitung und erfolgreiche Durchführung von Kursen in der Pferdepflege, durch ihre aufgabenreiche Betreuung der Patienten, durch rascheste Abwendung der Räudegefahr in mustergültiger eigener Räudestation und nicht zuletzt durch ihr Vordringen bis in die allerletzte Entscheidung beim Divisions-Wettbewerb im Faust- und Handball sowie bei der Vorführung von Hauskapellen.
Sodann verbrachte die Kompanie, fachlich und militärisch wohlgerüstet, den Frühling bis zum Einsatz in West- und Ostpreußen. Die Sachsen als Angehörige der Pommerndivision fühlten sich auf dem ostpreußischen Lande bald heimisch. Fand doch die Kompanie lange Wochen Quartier in Dörfern wie Tiefensee (bei Marienwerder) und Frauendorf (bei Bartenstein). Auch hier gab es laufend genügend Arbeiten um die allseitige Ausbildung weiter zu vervollkommnen. Es galt, von den anfallenden Patienten möglichst viele dem eigenen Pferdebestande der Division zu erhalten. Die ortsfeste Einrichtung ermöglichte diese Forderung auch. In dieser Zeit wurde auch vom eigenen Propaganda-Trupp der Division ein Film der Veterinär-Kompanie gedreht, der leider noch nicht fertiggestellt ist. Sodann bot der etappenweise Vormarsch bis an die litauische Grenze genügend Zeit zum Einspielen der Sammelstaffel. All die wichtigen Hauptsachen und Kleinigkeiten, die den reibungslosen Ablauf des Pferdeab- und nachschubes bedingen, kamen nun bereits zügig zur Geltung.
Und dann war der Stichtag da, der 22. Juni 1941. Die Lazarettstaffel brauchte nur noch zu marschieren. Ihr Arbeitseinsatz entfiel mehr oder weniger auf dem nun beginnenden rastlosen Vormarsch. „Sie kamen nicht mehr zum Tragen”— wie man so schön sagt. Aber das Marschieren allein genügte ja auch als Leistung auf diesen Wegen des Ostens! Wie leicht sind da die Urteile fertig in Erfahrungsberichten: „Die Lazarettstaffel ist überflüssig oder ein Ballast“ — oder wie abwegig die Gedanken oder Sprüche des nun zu Fuß marschierenden Pferdepflegers: „Zu Hause könnte ich jetzt besser hinter dem Pflug marschieren!” Man kennt das nun schon von allen Feldzügen her, es ist im einzelnen wohl verschieden, im ganzen aber immer das gleiche. Hört der Vormarsch irgendwann und irgendwo auf und bezieht die Veterinär-Kompanie wieder einmal Standquartier, dann verstummen diese Stimmen. So war es auch dieses Mal wieder, als schließlich die Division anfangs September zum Stellungskrieg vor Petersburg überging. — Inzwischen wurde aber einmal ein besonderer Versuch gemacht: Der Lazarettstaffel wurde während des zügigen Vormarsches die Einrichtung und Versorgung eines “Pferdeerholungsheims” aufgetragen. Das war in der tollsten Sommerglut im Juli in einem Dorf Vertulowa zwischen Dünaburg-Silupe, als die starken Anfälle erschöpfter Pferde auf den schlechten Wegen im Staub höchstbedenklich wurden beim Mangel an Ersatz im A.O.K. 16. Der Korpsveterinär XXVII. A.K., Oberveterinär Dr. Seifert, schlug vor, eine Sammlung erschöpfter Pferde, bei denen Herz und Lunge noch intakt waren, mehrere Tage in regelrechten Kuraufenthalt zu geben mit allem, was dazu gehört. Der Versuch gelang – und doch auch wieder nicht, es blieb leider beim guten Willen. Er scheiterte schließlich doch daran, daß die Armee nicht in der Lage war, rechtzeitig mit ihren Pferdetransportkolonnen die zurückgelassenen, erholten Pferde der inzwischen weit vormarschierten Division nachzufahren. Als es geschah, war es zu spät: die Pferde hatten keinen Hafer, keine Weide mehr zuletzt gehabt. Die Truppe war bei der dann erfolgten Übergabe nicht begeistert oder dieselben Pferde wanderten gleich wieder zurück in den Sammelplatz des Armeepferdelazaretts oder sie trotteten höchstens in der Lazarettstaffel mit. Mit dem eigenen Transportraum konnte jedenfalls Versorgung und Nachtransport der Pferde bis zu 14 Tagen über rund 250 km nicht mehr bewältigt werden, da sämtliche Lkw’s sonst schon völlig eingespannt waren.
Die Vorratsstaffel ging mit einem Bestande von rund 100 Pferden über die Grenze, sie war ihre Pfleglinge raschenstens los. Es hatte keinen Zweck, eine Reserve zu halten, wo die Truppe vom ersten Tage an sofort Ersatz dringend brauchte. Wenn man so sagen will, konnte auch die Vorratsstaffel auf dem Vormarsch nur wenig leisten in ihrer Aufgabe, denn sie war eben meist verausgabt. Der Ersatz blieb so gut wie aus. Die Pferde-Parke kamen auch nicht nach in dem Tempo. Zwei Lieferungen, 1 x 60, 1 x 40 Pferde, gingen direkt über die Sammelplätze an die Truppe und konnten die starken Lücken nicht füllen. Die Truppe schrie nach Pferden, sparte nicht mit Schmähungen, war allerdings an den Massenausfällen nicht schuldlos beteiligt. Es bedurfte allen Nachdruckes des IVc-Referenten, um eine vernünftigere Marscheinteilung zu erwirken. Als endlich nach 14 Tagen die bespannten Teile früh 3 bis 8 Uhr, nachmittags 17 bis 20 Uhr, die motorisierten Teile in den Zwischenzeiten, marschierten, war es zum großen Teil zu spät. Die Pferde hatten, soweit nicht schon ausgefallen, „ihren Knacks weg“. Aber in den Worten des Divisionskommandeurs lag wenigstens bei allem Vorwärtsdrang ein Einsehen, als er eines Abends im Befehlswagen zum Divisionsveterinär launig-ernst erwiderte: „Und IVc ist doch schuld, daß die Pferde nicht mehr können, ein Sündenbock muß doch gefunden werden!“ – Es wurde versucht, der Vorratsstaffel wenigstens eine Aufgabe zuzuweisen, wie übrigens auch den überspringend vorn eingesetzten Sammelplätzen: nämlich Zivilbeutepferde aufzutreiben. Daraus wurde nichts, weil die Truppe selbst schon das Gelände seitlich der Vormarschwege durchkämmte, also sich selbst schlecht und recht, mit und ohne Bezahlung so „versorgte”, daß die Marschfähigkeit stets erhalten blieb. Eigentliche Militärbeutepferde fielen so gut wie gar nicht an, ein bestaunenswerter Rückzug der Russen, meist ja allerdings mit Traktoren, die man auch nicht vorfand.
Eine ganze Zeit führten jedoch Lazarett- und Vorratsstaffel einzelne Beritte mit von Pferden, deren Erholung noch zu erwarten war, sofern sie eben wenigstens nicht zu ziehen, sondern nur zu marschieren brauchten. Auch gab die Aufklärungs-Schwadron B. allein über 50 Pferde ab, teils abgetriebene, teils gedrückte, und konnte sie wegen Ausfalls an Reitern auch entbehren. Auch deren gesamtes Sattelzeug wurde zur Entlastung der fechtenden Einheit bei der Veterinär-Kompanie auf ermieteten Panjefahrzeugen aus dem Generalgouvernement mitgeführt. Es gab also schon noch hier und da Aufgaben.
Schließlich war es stets eine Freude, die Veterinär-Kompanie marschieren zu sehen: gut die Stimmung, gut die Marschdisziplin. Auch nicht ein einziges Mal unliebsam aufgefallen, zog sie von einer Unterkunft im Grünen zur anderen, je nach Lage in einer Marschgruppe eines Regiments oder der bespannten Versorgungstruppen oder auch mal selbständig, auch mal auf besseren, selbst erkundeten Wegen. Prachtvolle Zugleistungen der ja nie schlechten Stammpferde mit ihren gewiß nicht leichten Fahrzeugen! Niemals versagte die Verbindung bzw. Befehlsgebung und -befolgung zum und vom Divisionsveterinär.
Und – beimVormarsch – das Wichtigste: die Pferdesammelplätze: immer überschlagend je zwei eingesetzt, waren sie stets früh einsatzbereit, der vordere so früh mit der ersten Marschgruppe, daß die Abgabe fast aller Pferde bereits beim Durchmarsch der Truppen erfolgen konnte. Das war, von der Leitung aus gesehen. Grundbedingung, mehr als bei allen bisherigen Feldzügen. Sonst schickte irgendein Kommandeur die Lkw’s unter Umständen in verstopfter Straße in den Graben, Sand oder Sumpf. Hin- und Herverkehr mußte, wenn irgend möglich “vermieden” werden, schon um das kostbare Wagenmaterial zu schonen. So kam es, daß die Führungsabteilung des Divisionsstabes meist beim Stellungswechsel oder der Kommandeur beim Vorfahren schon die Schilder des Pferdesammelplatzes „Greif” bestaunte und das wiederholt zum Ausdruck brachte, ebenso wie der Kommandeur des Pionier-Bataillons. Ferner wurden die Sammelplätze möglichst an markante Punkte und „gute“ Abfahrtsstraßen gelegt. Das machte sich tatsächlich für bevorzugte Abholung und Entlastung gut bezahlt, zumal die Rollbahn längere Zeit die miserablen Marschwege seitlich recht nahe begleitete. Zumal war es wichtig die Sammelpferde rasch loszuwerden, da stets ein Wachkommando zurückbleiben mußte, das verpflegt und abgeholt sein wollte, sofern es nicht allein mit fremden Fahrzeugen Anschluß finden mußte. Es ging kein Mann dabei verloren, auch — kaum ein Pferd, obwohl die Bauern auf allerhand Schliche kamen. Oft wurden sogenannte behelfsmäßige Sammelplätze eingerichtet, d.h. der Sammelplatz, der dran war vorgeschoben zu werden, wurde bei der Quartiermeisterabteilung, also unmittelbar neben dem Divisionsveterinär, stationiert, wenn die Lage weiter vorn noch nicht genügend geklärt war. Den Truppenveterinär-Offizieren wurde dieses Verfahren bald geläufig. Es erleichterte ihnen die Abgabe der Pferde, wenn sie ihren Versorgungsbefehl nicht zu lesen bekamen oder dieser überhaupt ausblieb. Es hatte auch den Vorteil, daß der Divisionsveterinär den Betrieb auf dem Sammelplatz und seine Veterinäroffiziere öfter zu sehen bekam. War die Lage geklärt bzw. der Abstand vom letzten Sammelplatz ausreichend durch weiteren Vormarsch, so lud der betreffende Sammelplatz die angefallenen Pferde auf und begab sich an den vorbestimmten oder inzwischen noch erkundeten eigentlichen, passenden Einsatzort, wiederholt auch nur erst ein Vorkommando, um auf jeden Fall erst einmal
wieder die Truppe von marschunfähigen Pferden zu entlasten. Jedenfalls war die dauernde Verbindung bei den schwierigsten Wegeverhältnissen auch auf diese Weise gesichert, während ein ständiges Zurückfahren des Divisionsveterinärs zur Veterinär-Komp. einfach unmöglich war. Es war auch nicht notwendig. Im ganzen wurden von der Grenze bis zum Halt am Ring um Petersburg 38 Sammelplätze eingerichtet auf einer Marschstrecke von rund 1050 km, d.h., es kam etwa auf 27,6 km‚ ein Sammelplatz. Das war auch praktisch völlig ausreichend durch die geschilderten Maßnahmen. Es kam doch hin und wieder vor, daß die Truppe Pferde einfach, mit und ohne Krankenzettel, auch ohne Bewachung stehen ließ, auch wiederholt solche Pferde nach Anmeldung nicht mehr gefunden wurden. Ursache war meist, daß die Kommandeure bzw. Einheitsführer auf dem Standpunkt standen: lieber das Pferd verloren als den Mann durch Partisanen erschossen. Auch das Eintauschen von Pferden war nicht ganz zu verhindern. Solche Tauschpferde griffen später noch wieder nachfolgende Truppen, wie z. B. die nachgeführten Feld-Ersatz-Bataillone.
Der rastlose Ost-Nordost-Vormarsch kam nach zwei kürzeren Pausen, die einmal bedingt waren durch lauter Einzelgefechte der Regimenter in allen Richtungen, in der Gegend von Opotschka bis über Noworshew hinaus, dann bei Porchow durch Abwarten des neuen Auftrages mit Abschwenken in reine Nordrichtung in den dann heiß umkämpften Luga-Abschnitt, die Schlüsselstellung vor Petersburg, eben hier von Anfang August an zum Stehen, d. h. wenigstens für die Versorgungstruppen. Denn für die Truppe begann hier erst der richtige Opfergang mit zahllosen Einzelgefechten, Frontalangriffen, Umgebungen, Flankenaufrollungen, Flußübergängen usw. Die Kampfbereitschaft der Veterinär-Komp., auch der Sammelplätze wurde allerdings nie durch die Verhältnisse oder Befehle gefordert. Die Sammelplätze und die Veterinär—Komp. selbst wechselten in dieser Zeit wenig ihre grüne Unterkunft.
Weitere harte Kämpfe, bei denen auch Oberst Diener als Regimentskommandeur fiel, bekannt von der Kavallerieschule und Jn III, hielten den Vormarsch am Qrjedjesh-Abschnitt auf, der Flußseenkette ostwärts Luga. Dann aber, Anfang September, war der Weg frei in Richtung Petersburg. Welch ein Vorrang, in diesem verkommenen Lande, ein solches Kampziel vor Augen zu haben! Beschwingt nach dieser Entscheidung und wie erlöst vom Druck der letzten schweren Wochen begab sich die Division „Greif” in die Sumpfstrecke‚ die auf die ostwärtige Rollbahn Moskau-Petersburg führte und ungeheure Leistungen von den Pferden verlangte, da es plötzlich besonders für die erste Marschgruppe eilig wurde. Leider forderte diese Anforderung und die schwierige, zum Teil ausbleibende Verpflegung noch einmal viel Pferdefleisch und Herzen! Das erste Mal, daß ein Sammelplatz völlig festfuhr und ohne Einsatz, vom General in den Graben befördert, erst nach Tagen den übernächsten Einsatzort Ljuban an der Rollbahn erreichte, der dann für die Veterinär-Komp. bis zum heutigen Tage eine wichtige Rolle spielen sollte. Die meisten mot. Teile waren sonst in großem Umwegbogen über Nowgorod hinaufgefahren, nicht ohne auch stecken zu bleiben. Aber dann seit langer Zeit wieder eine Asphaltstraße! Seit Anfang September lag die Division in 15 km Breite und im Bogen vom südlichsten
Newa-Knie bis an einen Brückenkopf auf der Rollbahn, etwa 30 km vor der Zaren-Hauptstadt! Auch der Chef der Veterinär-Komp. blickte schon sehnsüchtig von einem Turm auf die Stadt und dachte unter Umständen bald noch bessere Unterkunft zu finden!
(Quelle: Vereinigung Angehöriger der ehemaligen 122. (Greif) Inf.-Division, Nr. 19, Dezember 1959)