Im Demjansker Raum – Verlegung in den Kesselraum 1942

Juni 1942 – September 1942

Mit Flammenwerfern haben die Pioniere den Waldbunker im Viereordeskswald bei Jaswy ausgeräuchert. Der Gruppenführer springt auf und stürmt seinen Männern voran

Die Ablösung und damit das Ende des Einsatzes der 122. Division im Verteidigungsabschnitt Jaswy – Ssytschewo, der 2 Monate gehalten worden ist, beginnt sich abzuzeichnen, desgleichen die beabsichtigte neue Verwendung: Nach Ablösung durch die Nachbardivisionen Verlegung in den Kessel, um zusammen mit anderen Kräften zur Erweiterung des Schlauchs ostwärts der Pola nach Norden anzugreifen. Für diese neue Aufgabe soll die Division nach langer Zeit wieder
vollständig zusammengeführt werden. Auch die Rückkehr des I.R.411 aus dem Cholmer Raum steht dazu in Aussicht. Doch vorerst geht “des Dienstes immer gleichgestellte Uhr” in der derzeitigen Stellung weiter, wobei der durch Angriff gewonnenen Stellungsverbesserung nordostwärts Jaswy besondere Aufmerksamkeit gilt. Hier unterstützt das Pionierbataillon das I.R.409 beim Ausbau der neuen Hauptkampflinie (HKL). Am 8.6.1942 trifft, von Cholm kommend, die 2.Kompanie I.R.409 ein. Am folgenden Tag kommen der Stab und eineinhalb Züge der Panzer-Jäger-Abteilung 122, dazu 2 Fernsprechtrupps der NA 122, von der 18. Armee zurück. Der Stab übernimmt als Gruppe Hardt den linken Divisions-Abschnitt. Zwei 8,8 Flak des LWFR 4 zerstören aus Stellungen bei Kotschanowo am 10.6.1942 9 Mannschafts- und Schartenbunker bei Dawidowo und Koslowo. Vor dem rechten Divisionsabschnitt gelingt es am 11.6.1942  zur
Frontverbesserung 7 Bunker ohne eigene Verluste zu nehmen; der Feind verliert hierbei 20 Tote. An dieser Stelle nehmen die Pioniere 60 S- und 40 T-Minen auf. In der Nacht vom 13./14.6.1942 lösen sich III./I.R.410 und I./I.R.409 gegenseitig in ihren Stellungen ab, sodass I.R.409 und I.R.410 am 14.6.1942 ebenfalls ihre Abschnitte tauschen können, um I.R.410 am 15.6.1942 die Umgliederung in 2 Bataillone (I. und III.) zu ermöglichen. Dabei wird III./I.R.411 aufgelöst. Die Aufklärungsabteilung 122 kommt am 16.6.1942 mit Radfahr- und schwerer Schwadron von der 18. Armee zurück; sie wird am 19.6.1942 aufgelöst und daraus eine gemischte Panzerjäger-Aufklärungsabteilung neu gebildet, zu der nur die Radfahr-Schwadron tritt.

Kettenkrad vor Lissi Gorki

In diesen Tagen deuten Anzeichen auf einen bevorstehenden russischen Großangriff auf Staraja Russa hin. Die Division erhält des­halb als artilleristische Verstärkung die II./AR 329 mit 3 leichten und einer schweren Batterie. Die 8,8 Flak bei Kotschanowo bekämpft am 25.6.1942 vor I.R.409 sechs Bunker und MG-Stände. Bis zum Abend werden durch 5. leichte Division I. und III./I.R.410 abgelöst und rasten im Troßraum, das II./I.R.409 folgt am 26.5.1942. Die Nacht vom 26./27.6.1942 verläuft unruhig, nicht zuletzt infolge mehrfacher Bomberangriffe. I.R.411 trifft am 27. und 28.6. in Staraja Russa ein und rastet um Garischa und Utoschkino.

Durch starke Regenfälle tritt eine Schlammzeit ein, die jede Marschbewegung behindert. Weitere nächtliche Bombenangriffe verursachen bei Lissy Gorki Ausfälle. Durch 18. motorisierte Infanterie-Division werden am 1./2.7.1942 die letzten Teile I.R.409 abgelöst. Als erste Marschgruppe soll I.R.410 am 5.7.1942 über die Lowat gesetzt werden. In diese Zeit fällt am 4.7.1942 der Wechsel des 1. Generalstabs-Offizier der Division. Oberstleutnant i.G. Schipp von Branitz geht zu einer höheren Verwendung fort, an seine Stelle tritt Major i.G. Weber, bisher 1. Generalstabs-Offizier des I. Armee-Korps, das am Wolchow, am Ladogasee und an der Newa eingesetzt gewesen ist. Da der Übergang über die gewaltig breite Lowat bisher nur im Fährverkehr möglich ist, kann die Division nur in verstärkten Regiments-Marschgruppen verlegt werden. Wegen der grundlosen Wege beabsichtige die Division, die Zugpferde zusätzlich staffelweise einzusetzen, doch die Armee untersagt ihr es. Mit zeitlichen Abstän­den treten am 4.7.1942, 14.00

Die Greif-Division setzt mit Fähren bei Ramuschewo über den Lowat

Uhr beginnend I.R.410, drei Fahrkolonnen und die Sanitäts-Kompanie 1/122 den Marsch zum Ablaufpunkt Ramuschewo an. Das Übersetzen beginnt um 22.45 Uhr und endet am 5.7.1942 2.45 Uhr ohne Störung, zunächst für I.R.410. Die ganze Marschgruppe hat 8.45 Uhr den Fluss überquert. Die zweite Marschgruppe – I.R.411 mit III./AR 122, Stab und 1./Pionier-Bataillon 122 – marschiert am 6.7.1942, 6.00 Uhr ab. Um 8.00 Uhr wird der Divisions-Abschnitt an die 18. motorisierte Infanterie-Division übergeben. In der folgenden zweiten Nachthälfte hat I.R.410 zwischen 2.15 und 8.00 Uhr auch wiederum ohne Verluste die Pola überschritten und seinen Versammlungsraum erreicht. Das Vorkommando des Divisions-Stabes startet abends von Lissi Gorki aus zur Gruppe von Knobelsdorf in Losnitzy. Der neue Divisions- Gefechtsstand liegt bei Koloma. – Während der Rast vor dem Übersetzen am 7.7.1942 verliert die 1./Pionier-Bataillon 122 durch feindlichen Artillerie-Volltreffer 6 Tote und 9 Verwundete. Trotz feindlichen Feuers wird die Marschgruppe I.R.411 ohne Ausfälle über die Lowat gesetzt, erreicht zwischen 2.30 und 8.00 Uhr den Zwischenrastraum Bjakowo und rastet bis 20.00 Uhr. Marschgruppe I.R.409 mit motorisierten Teilen, II./AR 122 und Teilen NA 122, ist um 15.00 Uhr angetreten. I.R.411 meldet bei Bjakowo 3 Verwundete. I.R.410 hat die Bjasowka-Brücke nach Radowo zu sperren. 14./I.R.411 wird nordostwärts Gorodok zur örtlichen Siche­rung nach Norden eingesetzt. Die Marschgruppe I.R.411 erreicht am 8.7. his 9.00 Uhr das Ostufer der Pola. Als letzte rückt 11.00 Uhr die motorisierte Marschgruppe ab mit dem Divisions-Stab,

Im Fährverkehr über die Lowat bei Ramuschewko

Stab NA, Panzer-Jäger-Abteilung den motorisierten Teilen der IR und des Pionier-Bataillons, Teilen der Versorgungstruppen und sämtlichen Sanitätstruppenteilen einschließlich des Feldlazarett. Die übrigen Versorgungstruppen verbleiben im bisherigen Unterkunftsraum. Um 17.00 Uhr tritt IV./AR 122 (ohne 12. Batterie) ebenfalls an. I.R.409 wird vorübergehend bei Bjakowo angehalten. Die motorisierte Marschgruppe erreicht unversehrt bis 9.7.1942 mittags den Raum ostwärts der Pola.

Angriffsvorbereitungen bei Strelizy, Juli-August 1942

Die Schneedecke hat den von Nagatkino zur Redja führenden Waldweg in viele Seen und knietiefen Schlamm verwandelt.

Ein kurzer Überblick über das Gelände, in dem sich die 122. Division versammelt hat, soll zum Verständnis der eigenen Absichten beitragen. Der Westfront des Demjansker Kessels ist ein weit ausgedehntes Sumpfgebiet vor der allgemeinen Linie Knewizy – Saprudno – Pustynja – Dedno vorgelagert; Zwischen Strelizy und dem Pola-Tal wird es von einer Landbrücke unterbrochen, die von Süd nach Nord verläuft. An dieser Stelle soll die Nordfront des “Schlauchs” vorgedrückt werden. Diese Front biegt südlich Dedno nach Westen ab und wird hier bis zur Pola bei Naljutschi durch die 290. Division verteidigt. Unter dem Schutz dieser Division versammelt sich die Greif-Division auf engem Raum um Koloma.

In den Monaten Juli und August bis Anfang September befindet sich die 122. Division in einem unerfreulichen Schwebezustand. Als Reserve der Gruppe von Knobelsdorff liegt sie bei überwiegend regnerischen Wetter im Freien, ständig auf dem Sprung, die Bereitstellung zum Angriff einzunehmen. An Verstärkungen sind für die Division eine Kompanie Beutepanzer, eine Sturmgeschützabteilung und eine leichte Flak-Kompanie vorgesehen. Die Verbindung zur Luftwaffe soll ein Flieger-Verbindungs-Offizier sicherstellen. Zwar werden alle Vorbereitungen energisch betrieben, die schweren Kompanien haben bereits mehrfach ihre Feuerstellungen bezogen, AR 122 ist ständig feuerbereit und unterstützt die 290. Division mit starken Feuerschlägen bei der Abwehr von sich zunehmend verstärkenden russischen Angriffen. Der Zustand von Straßen und Wegen verschlechtert sich ständig. Bereits hieraus ergibt sich eine laufende Verschiebung des vorgesehenen Angriffstermins. Das übrige dazu tut der Feind, der seinerseits den Raum westlich Strelizy für seine eigenen Zwecke ausnutzt. Die ganze Zeit über ist die Hälfte der Truppe zum Straßenbau eingesetzt, die andere Hälfte betreibt Waffen- und Angriffs-Ausbildung. Der anhaltende Regen verschlechtert auch den Gesundheitszustand, so dass bei der fechtenden Truppe 500 Mann erkranken.

Verteidigungsabschnitt 290. Infanterie-Division

Die Verhältnisse, bei der 290. Division führen dazu, dass die 122. Divi­sion, Mitte Juli beginnend, deren rechte 2 Bataillonsabschnitte übernehmen muss. Dabei beobachtet III./AR 122 am 18.7.1942 im Raum Strelizy – Kurlandskoje – 4 km nordostwärts 18 feindliche Batterien aller Kaliber sowie vor dem eigenen Abschnitt 3 brennende feindliche Panzer. Am 19.7.1942 werden am linken Flügel der 290. Division 54 russische Panzer gezählt.

Beim II./I.R.409 ereignet sich am 4.8.1942 ein besonderer Vorfall: Der Adjutant, Leutnant Olmesdahl, meldet sich um 9.15 Uhr bei seinem Bataillons-Kommandeur ab, um mit dem Kompaniechef der “siebenten” eine Einsatzbesprechung zu führen. Der Weg dorthin geht durch das Buschgelände an der vorderen Linie entlang. Man hört Axtschläge und dumpfes Klopfen vom Regiments-Pionier-Zug 409 der unermüdlich an der Stellung baut. Nur gelegentlich rattert eigenes und feindliches MG-Feuer, im übrigen ist es still. Am Horchposten der 7. Kompanie geht er etwas feindwärts vorbei, man kann im Busch nur wenige Meter weit sehen. Der Leutnant bleibt stehen, entsichert seine Pistole und beobachtet in Deckung. In diesem Augenblick krepiert zu seinen Füßen eine Handgranate und verwundet ihn durch ein Dutzend Splitter. Zwei Russen tauchen auf und wollen ihn von vorne angehen. Mit der Pistole legt er einen um. Da fühlt er einen würgenden Griff um seinen Hals. Man hat ihn von hinten gepackt, er wird zu Boden geschlagen, dabei verliert er seine Pistole. Der Leutnant wehrt sich verzweifelt, mit der rechten Faust fasst er über die Schulter und bohrt dem Gegner hart zwei Finger ins Auge. Unter lautem Stöhnen öffnet der Russe den Würgegriff und er bekommt etwas Luft. Doch schon kommt ein anderer hinzu und sticht ihm mit dem Messer über das Auge und in die Brust. Ein Schlag über den Kopf folgt und er bricht bewusstlos zusammen. Sind Minuten, sind Stunden vergangen? Leutnant Olmesdahl weiß es nicht. Als er wieder etwas zu sich kommt, spürt er, dass er mit dem Gesicht im Wasser liegt. Er wird wieder hochgezerrt, mehr geschleppt als getragen, auf einem Trampelpfad durch den Sumpf. Mit Mühe richtet er sich auf und versucht, selber zu gehen. Allmählich kehrt die Erinnerung an das Geschehene zurück. Voraus geht, als Führer des Spähtrupps, der ihn überrumpelt hat, ein Offizier, gefolgt von 3 Soldaten, dann er selber mit seinen beiden Begleitern, und hinter ihm tragen 4 Mann den Russen, den er schwer am Auge verletzt hat. Nach einigen Minuten wird er plötzlich in ein dichtes Laubgestrüpp geführt, das sich als ein gut getarnter provisorischer Gefechtsstand erweist. Eine Lagerstadt, ein Tisch, ein Telefon und 2 Kisten sind die ganze Ausstattung. Ein russischer Unterleutnant begrüßt ihn, legt die Hand an die Mütze und bietet ihm durch eine Geste an, auf der zweiten Kiste Platz zu nehmen. Wortlos greift er zu einer Schnapsflasche und bietet einen Schnaps an, holt aus einer Zeitungshülle deutsche Juno vor und fordert zum Rauchen auf, dann greift er in die Rocktasche und legt ein großes Notenbündel auf den Tisch. Der Versuch, den Leutnant “umzudrehen”, misslingt. Inzwischen ist ein gebrochen deutsch sprechender Soldat eingetreten und wird vom Unterleutnant aufgefordert, seine Fragen zu verdolmetschen. “Wie lange sind Sie schon hier an der Front?” fragt lauernd der Russe. “Ich bin kaum 4 Tage hier und kenne den Abschnitt nicht.” Jetzt springt der Russe auf und schlägt dem blutüberströmten Deutschen ins Gesicht. “Wo kommt dieser Winterorden her, he? Na warte, wir werden Dich schon zum Reden bringen.” Wieder hageln ihm Faustschläge ins Gesicht. Dann wird er von einem Posten aus dem Unterstand gestoßen “Sie werden jetzt zu einer Stelle gebracht, wo es Mittel und Wege gibt, Sie zum Sprechen zu bringen. Versuchen Sie nicht, zu fliehen.” droht der Russe, “es ist Ihr Nachteil. Wir werden im Rundfunk bekanntgeben, dass Sie ausgesagt haben. Dann sind Sie für die deutsche Armee erledigt.” “Wperjod,” brüllt der-Russe, “los, vorwärts!” Nur wenige hundert Meter, dann sinkt der vom Schlag über den Kopf geschwächte Leutnant zusammen. Aber er rafft sich wieder auf. In seinem Hirn arbeitet es fieberhaft. “Nur erst vom feindlichen Gefechtsstand wegkommen, dann werden wir sehen,” denkt er. An einer jungen Birke hält er erschöpft inne. Dem Posten gibt er durch Zeichen und Gebärden zu verstehen, daß er einen Stock zum Stützen brauche. Es wird ihm gestattet, er bricht das Birkenstämmchen ab und entfernt langsam die Zweige, dabei sorgfältig den Posten beobachtend. In dem Augenblick, in dem dieser in die Tasche greift, um Zigaretten herauszunehmen, holt der Leutnant blitzschnell mit dem Birkenstamm aus und schlägt dem Russen das dicke Stockende ins Gesicht, sodass der laut stöhnend zusammenbricht. Ein Sprung, und Leutnant Olmesdahl setzt sich wieder in Besitz seiner eigenen Pistole. Diesen Augenblick ausnutzend, wendet er sich in einer großen Kraftanstrengung zur Flucht halbrechts in den Sumpf. Oft bis zur Brust im Moor, halb schwimmend und kriechend, gewinnt er Meter um Meter an Raum. Plötzlich sieht er einen Russen auftauchen. Hinter einem Busch zusammengekauert, rührt er sich nicht, lässt ihn auf 7 Meter herankommen. Ein Schuss, und auch dieser bricht zusammen. Dann verlassen ihn wieder die Kräfte. Als er nach einigen Minuten zu sich kommt, sieht er in unmittelbarer Nähe russische Soldaten, die fluchend durch das Moor stampfen, um den entwichenen Gefangenen zu suchen. Nur nicht bewegen, nur jetzt nicht! Gott sei Dank, sie sehen ihn nicht, kaum 30 m entfernt ziehen sie vorbei. Nachdem alles ruhig geworden ist, arbeitet sich Leutnant Olmesdahl weiter vor, bis er festen Boden unter die Füße bekommt. Mit letzten Kräften erklimmt er eine hohe Fichte. Ein Aufatmen, er sieht unsere Ju’s ziehen, hört unweit von sich entfernt die Stimmen, das Klopfen und Brechen des arbeitenden Pionier-Zuges und hat wieder die Orientierung. Es kann also nicht mehr weit sein. Herunter von der Fichte, ein letztes Aufraffen, nur noch wenige hundert Meter, dann erreicht er blutüberströmt und mit zerschlissener Uniform die vorderen Posten der 15. Kompanie I.R.409. Der Oberbefehlshaber der 16.Armee, Generaloberst Busch, besichtigt zur gleichen Zeit mit dem Kommandeur der Greif-Division, Generalleutnant Machholz, die vorderen Stellungen. Im Sanitätsbunker trifft er Leutnant Olmesdahl, beglückwünscht den tapferen Offizier zu seiner Tat und heftet ihm sein eigenes EK 1 des 1. Weltkrieges an. Die Gefangenschaft des Leutnants hatte nur 6 Stunden gedauert.

Der zunehmende Beschuss auf den Versammlungsraum der 122. Division zwingt zur Auflockerung und zur Änderung der Bereitstellungsräume, schließlich auch des Angriffsplanes. Zwei Regimenter sollen nun auf der Westseite der Pola angesetzt werden.

Obwohl der Feind vor dem schmalen Divisionsabschnitt wenig unternimmt, beweist er doch einmal seine wendige Angriffsführung. Der Unteroffizier Werkmeister von der 13./I.R.409 berichtet darüber: Das war ein erbittertes Ringen im Abschnitt der 1./I.R.409. Ein warmer Sommerabend senkt sich am 16. August 1942 über Wald und Busch. Als die ersten Sterne am Nachthimmel aufleuchten, steigen feine Nebelschwaden aus dem moorigen Grunde auf. Dichter und dichter wird der Nebel, mehr und mehr verschwinden die Konturen der Bäume und der Sträucher. Leutnant Beykirch, der Führer der 1./I.R.409, hat höchste Alarmbereitschaft angeordnet. Schon vor einer Woche versuchten die etwa 100 m entfernt liegenden Russen einen Einbruch. Aber dieser verfluchte Nebel heute! Wer weiß, was die Burschen da drüben aushecken! Immer dicker wird der Nebel, kaum dass die Sicht fünf Meter weit reicht. Da! Am frühen Morgen des 17. August 1942 gegen 3.00 Uhr setzt lebhafter Beschuss durch Granatwerfer und Pak ein. Dieser Feuerüberfall bildet den Auftakt für einen Angriff, der kurz nach 3.30 Uhr erkannt wird und von Leutnant Beykirch dem I. Bataillon mit der Bitte um Sperrfeuer von Artillerie und Infanterie-Geschützen gemeldet wird. Vom Graben schallt lautes “Hurra”-Rufen. Mit dem deutschen Schlachtruf, den ihnen der Kommissar eingehämmert hat, stürmen die Russen um 3.45 Uhr auf das entscheidende Grabenstück zu, das von einer Gruppe mit 2 leichten MG und einem leichten Granatwerfer besetzt ist. Ein Unteroffizier und 7 Mann wehren sich verzweifelt gegen den andringenden Feind. Ein leichtes MG fällt unglücklicherweise sofort aus. Jetzt heißt es, mit dem am Brennpunkt stehenden, alles dran zu setzen. Wohl jagt das Rohr fast pausenlos Feuerstöße heraus und legt viele der Angreifer um, wohl speit der Granatwerfer Geschoss um Geschoss. Allein die Übermacht des Feindes ist erdrückend, wie die Wanzen quellen die Russen aus dem Nebel gegen den Graben vor. Dem Feind gelingt der Einbruch in die Grabenstellung. Der Obergefreite Stich und der Gefreite Tepper halten bis zum letzten tapfer an ihrem Werfer stand und fallen neben ihrer Waffe. Gegen 4.00 Uhr setzt Feldwebel Hansen mit einer Handvoll Männer zum Gegenstoß an und riegelt den Graben von einer Seite ab. Zu gleicher Zeit rafft Leutnant Beykirch seine Stoßreserve – den Kompanietruppführer Unteroffizier Banett, ein Melder und 2 Männer – zusammen und drängt von der rechten Seite im Graben vor. Trotz heftigsten MG-Feuers und zahllos detonierender Handgranaten gelingt es, einen MG-Stand zurückzugewinnen. Dann bleibt der im dicken Schlamm des Grabens vorgetragene Angriff im dichten Feindfeuer stecken. Trotz schwerster Verluste hat der Gegner immer neue Kräfte herangeführt und die 200 m breite Einbruchsteile mit 3 schweren MG, mehreren leichten MG sowie Maschinenpistolen gespickt. Immer wieder versuchen die Russen mit “Urrä” und “Hurra”-Gebrüll ihren Erfolg auszuweiten. Inzwischen ist beim I. Bataillon die Stoßreserve gesammelt und unter Führung von Leutnant von Stryck gegen 4.10 Uhr in Marsch gesetzt worden. Unentwegt liegt schweres Granatwerferfeuer auf dem Gelände zwischen Bataillons-Gefechtsstand und vorderer Linie. Nachdem Leutnant von Stryck verwundet worden ist, übernimmt Stabszahlmeister Dreyer die Stoßreserve und gelangt gegen 4.30 Uhr unter weiteren Verlusten zum Kompanie-Gefechtsstand der 1./I.R.409. Auch die 5. Kompanie unter Führung von Leutnant Bohlmann ist inzwischen zur Unterstützung der hart kämpfenden 1. Kompanie aufgebrochen. Nach sofortiger Einweisung und Bereitstellung greift Leutnant Bohlmann um 6.00 Uhr von links mit einem Zug an, während ein anderer Zug frontal antritt. Ein erbittertes Ringen um jeden Fußbreit Boden! Pausenlos hämmern die MG und bellen die Granatwerfer. Weitere Verluste sind unvermeidlich. Trotz des starken Feindfeuers gilt es, die verwundeten Kameraden zu bergen. In das MG- und Granatwerfer-Feuer mischt sich das Detonieren der Brocken unserer Artillerie und unserer schweren Infanteriegeschütze der 13./I.R.409. Gegen 8.30 Uhr ist es Leutnant Bohlmann gelungen, von links weitere 50 m des Grabens zu gewinnen. Aber immer noch kann der Feind weitere Kräfte nachschieben. Ständige Feuerüberfälle von Pak, Panzern und Granatwerfern wechselten den heiseren “Hurra”- und “Urrää”-Rufen der Russen ab. Gegen 12.35 Uhr erfolgt ein starker Feuerüberfall unserer Seite.

Olchowez-Ssorokino

Auf Anforderung von Major Cordes, der mit der Führung des I.R.409 beauftragt ist, bekämpft die Artillerie das Heranbringen weiterer feindlicher Reserven. Unheimliches Orgeln und Brausen erfüllt die Luft, ein Orkan von Eisen und Stahl entlädt sich über den Russen. Gleichzeitig trifft Hauptmann Pittelkow, der Kommandeur des 1./I.R.409 an der Einbruchstelle ein, um die Führung zu übernehmen. Ein neuer Stoßzug mit Feldwebel Hansen wird angesetzt. Verzweifelt und zäh wehrt sich der Gegner, der bei schweren Verlusten weitere Kräfte von links an die Einbruchstelle führt. Ebenfalls wird jetzt die 6./I.R.409 unter Führung von Oberleutnant Röder, die beschleunigt vom Bataillons-Gefechtsstand in Marsch gesetzt war, zum Gegenstoß angesetzt. Major Cordes begibt sich auch nach vorn an die Einbruchsteile, um von dort aus einzugreifen. Das Ringen um den Graben dauert an. In erbittertem Kampf gelingt es vor allem Männern der 6. Kompanie, Meter um Meter des Grabens zurückzugewinnen. Um 14.45 Uhr ist der Feind bis auf 50 m zusammengedrängt. Auch die 7. Kompanie unter Oberleutnant Grünberg wird zur Abriegelung und zum Angriff angesetzt. Um 15.00 Uhr setzt ein erneuter starker feindlicher Angriff ein. Fast drohen Teile des Grabens wieder verloren zu gehen. Da wird um 16.10 Uhr ein Zug der 7. Kompanie von rechts eingesetzt. Mit lautem Hurra räumt dieser die Reste der Russen aus dem Graben. Nach hartem Kampf ist dieser um 16.50 Uhr vollständig in unserer Hand. Unmittelbar darauf, für den verzweifelten Widerstand der Russen gerade zu spät, erscheinen ihre Panzer, drei an der Zahl. Noch einmal ein kriti­scher Augenblick, der von zwei Männern gemeistert wird. Einer der Kolosse schiebt sich an den Graben heran, Der Gefreite Stieler schleudert dem Panzer eine geballte Ladung zwischen die Raupenketten und bringt ihn zum Stehen. Unteroffizier Holz springt zurück, hohlt eine Hafthohlladung und setzt sie am Turm an. Eine Detonation und eine große schwarze Rauchwolke, der T 34 ist bezwungen. Es gab viele hervorragende Einzeltaten. So durch den Obergefreiten Tischmann, dessen Gewehrführer mit den meisten Männern ausfällt. Rechts und links von sich sieht er die 6.Kompanie vorstürmen. Da schnappt er sich MG, Lafette und Munition und springt mit vor. Trotz starkem Beschuss bringt er das

Major Cordes I.R.410

MG in Stellung und feuert. Obwohl links und rechts von ihm Kameraden ausfallen, hält er stand, bis ein Zug unter Feldwebel Rupach heran ist. Nach diesem Kampf bleiben allein in der Einbruchstelle im Graben 60 tote Russen liegen, zahlreiche weitere Tote vor dem Graben. Auf Grund der starken Beanspruchung beider Bataillone des I.R.409 wird I.R.410 beauftragt, ein Bataillon nach Radowo vorzuverlegen und eine Kompanie davon bei I.R.409 einzu­setzen. Inzwischen ist die 319. Division über die Lowat in den Raum hinter der 122. Division nachgeführt worden. Sie löst, um die Greif-Divi­sion für den geplanten Angriff geschlossen verfügbar zu machen, deren eingesetzte Teile ab und übernimmt am 23.8.1942, 9.00 Uhr den Abschnitt Olchowez – Ssorokino. Anfang September trifft eine Gruppe finnischer Unteroffiziere ein, um Lehrgänge über Wald- und Winterkampf abzuhalten. Das verstärkte III./I.R.410 wird der 126. Division unterstellt, um dort am 4./5.9.1942 ein Bataillon abzulösen. Der wiederholt verschobene Angriff der Gruppe von Knobelsdorf findet nun endgültig nicht statt.

Verteidigung im Abschnitt Lytsehkowo – Knewizy – Pustynja – Dedno

Auf Grund erwarteter russischer Großangriffe gegen die 30. Division hält das II. Armee-Korps es für erforderlich, die 122. Division zu seiner Verfügung in den Raum westlich Demjansk heranzuziehen, der in zwei Tagesmärschen am 8. und 9.9.1942 erreicht wird. Dort droht zunächst die Gefahr, daß die Division wieder auseinandergerissen und getrennt eingesetzt wird. I./I.R.410, der 30. Division unterstellt, löst am 10.9.1942 deren linkes Bataillon ab. Dahinter geht die II./AR 122 in Stellung. I./I.R.409, verlegt am 12.9.1942 als Reserve hinter die 30. Division nach Obrani, bleibt jedoch vorerst noch der 122. Division unterstellt. Da der Feind sich vor I./I.R.410 ruhig verhalten und weit abgesetzt hat, wird das Bataillon am 13.9.1942 durch eine Kompanie des Heeres-Pionier-Bataillon 671 abgelöst, verbleibt aber als Reserve hinter der Hauptkampflinie (HKL). Auch I.R.411 wird zum gleichen Zweck vorverlegt. Ferner kommt I.R.409 als Korps-Reserve hinter die 30.Division. Zur wirksamen Entlastung dieser Division beabsichtigt das II. Korps, die 122.Division vorübergehend in den linken Abschnitt der 3o. Division einzuschieben. Divisions-Kommandeur und Ia erkunden am 14.9.1942 die neue Stellung. Die restlichen Teile der Division erreichen den Raum Schumilow-Bor-Kality. I./I.R.410, dem I.R.368 unterstellt, löst dort ein Bataillon ab. Starke feindliche Luftangriffe auf den gesamten Unterkunftsraum verursachen in der Nacht vom 15. auf den 16. September 1942 erhebliche Verluste. Am 16.9.1942 übernimmt die 122. Division von der 30. Division den Befehl über I.R.26 bei Lytsehkowo und über Brigade Leopold (verstärktes I.R.368) bei Knewizy. Die Division ist froh, sich endlich fest einrichten zu können, wenn auch vorerst mit unterstellten fremden Truppenteilen.

Eine kurze Charakteristik des neuen Abschnitts lässt erkennen, daß seine Nordfront entlang der Bahnlinie Waldai-Staraja Russa zwischen Lytsehkowo und Knewizy dessen wichtigster Teil ist.

Mußte es dem Russen doch sehr daran gelegen sein, sich diese wichtige Nachschublinie freizukämpfen. Zudem war Lytschkowo als nordostwärtiger Eckpfeiler des Demjanskar Raumes “besonders gefährdet”. Lag die Nordfront im offenen Gelände, so verlief die Westfront von Knewizy bis Dedno fast nur durch Wälder und war nur im Nordteil durchlaufend besetzt. Auf einer Landbrücke lag Pustynja als inselartiger Stützpunkt vor der Front.

Ein Spähtrupp beobachtet die Russen beim Bunkerbau

Das lebhafte Störungsfeuer liegt, sich verstärkend, am 16.9.1942 abends auf dem gesamten Abschnitt. Nachts greifen starke Kampf- und Schlacht­fliegerverbände die Hauptkampflinie (HKL) an, der Schwerpunkt liegt auf Lytschkowo. Mit Angriffen muß demnach gerechnet werden. Auch am 17.9.1942 setzt der Feind seine Luftangriffe auf die Hauptkampflinie (HKL) fort. Nach starker Artillerievorbereitung ab 5.45 Uhr wird I.R.26 auf 6 km Breite unter Einsatz zahlreicher Panzer den ganzen Vormittag angegriffen, danach laufen 125 Russen über. 1 Panzer wird abgeschossen. Gleichzeitig wird Pustynja hart bedrängt. In die Nordfront wird zwischen I.R.26 und I./I.R.410 nun das II./I.R.411 eingeschoben. Für Gegenstöße bei I.R.26 gibt das Korps das I./I.R.409 frei. Unter schweren Kämpfen ist die gesamte Hauptkampflinie (HKL) gehalten worden. Alle verfügbaren Reserven werden hinter die Brennpunkte verlegt. Am 18.9.1942 schießt eine 7,62 Pak bei I.R.26 zwei Panzer bewegungsunfähig. Heute beginnt der Russe seine Angriffe erst um 13.15 Uhr, wiederum mit großer Heftigkeit mit Panzerunterstützung, außer bei den gestrigen Schwerpunkten nun auf die gesamte Nordfront ausgedehnt. Es kommt vielfach zu Nahkämpfen, alle Angriffe brechen zusammen.

Der freigekämpfte Kessel Demjansk mit Landbrücke – Kämpfe des Jahres 1942

Quelle: Vereinigung Angehöriger der ehemaligen 122. (Greif) Inf.-Division, Nr. 77, Dezember 1984